Entscheidung auf Mallorca by C.C. Bergius
Autor:C.C. Bergius
Die sprache: de
Format: mobi
veröffentlicht: 2012-01-22T23:00:00+00:00
Etwa zur gleichen Zeit saßen Miriam und Harald zwischen Cannes und Nizza auf einer niedrigen Mauer und blickten über das Meer. Jeder hing eigenen Gedanken nach, beide aber waren sich bewußt, in die Richtung zu schauen, in der Mallorca lag.
Am Horizont tanzten die Lichter einer Fischerflottille. In regelmäßigen Abständen kreiste das Strahlenbündel eines Leuchtfeuers über sie hinweg. Vereinzelte Wogen am Strand brachen sich an der hier flach abfallenden Küste. Über die hinter ihnen liegende Straße heulten Motoren durch die Nacht.
»Woran denkst du?« fragte Miriam, als sie eine Weile schweigend nebeneinandergesessen hatten.
Harald klopfte seine Pfeife aus. »Ich glaube, ich habe nur verdaut. Die kleinen Fische waren prima.«
Sie nickte.
»Und der Wein … Ich fühle mich hier wohler als in Spanien.«
»Ich auch«, erwiderte Miriam. »Sogar so sehr, daß ich leichtsinnig werden könnte.«
Harald blickte zu ihr hinüber. »Sprich dich aus.«
»Wie wäre es, wenn wir morgen einen Ruhetag einlegten?«
Er strich sich über das Kinn. »Daran hab’ ich auch schon gedacht. Wir haben ganz schön gespart, und ›Zatopek‹ läuft einwandfrei. Billiger als hier können wir nirgendwo wohnen. Fünfhundert Francs kostet das Zimmer. Wenn es auch verdammt klein ist und wir uns unter der Pumpe waschen müssen – fünf Mark ist kein Preis.«
»Du meinst also, wir könnten es riskieren?«
»Ich denk’ schon.«
»Dann möchte ich morgen malen. Weißt du, den alten Fischer, der vor der Haustür saß. Hat der nicht ein tolles Gesicht?«
Harald lachte. »Ich schätze, daß er sich seit dreiundfünfzig Jahren nicht mehr gewaschen hat.«
»Wieso gerade dreiundfünfzig Jahre?«
»Erinnerst du dich nicht an den Witz, den Wulf uns erzählte?«
Miriam schwieg.
Ich bin ein Idiot, dachte Harald. Wie konnte ich nur von Wulf reden. Es wäre besser für sie, wenn sie sich von ihm frei machen könnte. Wenn ich nur wüßte, was ich tun soll.
Eine Zeitlang saßen sie schweigend nebeneinander. Dann fragte Miriam: »Glaubst du, daß er und Peggy …?«
Harald antwortete bestimmt: »Das halte ich für ausgeschlossen. Wulf würde das niemals tun.«
»Und Peggy?«
Er zuckte die Achseln. »Wenn du mich so offen fragst: Ja! Mit jedem, sofern sie sich einen Vorteil davon verspricht.«
Miriam war schockiert. »Das glaubst du doch selber nicht.«
Harald machte eine wegwerfende Bewegung.
»Wenn du recht hättest, versteh’ ich nicht, daß du …«
»Darüber wollen wir nicht sprechen«, unterbrach er sie. »Es gibt Dinge … Aber vielleicht genügt es dir, wenn ich sage: Ich bin froh, daß es soweit gekommen ist. Ich hätte wohl nie die Kraft aufgebracht, den schon lange notwendig gewordenen Trennungsstrich zu ziehen. Einfach, weil ich weiß, daß Peggy ohne Führung straucheln wird. Und ich mochte sie auch gerne. Im Grunde genommen ist sie ein patenter Kerl. Sie baut nur viel zu sehr auf ihre Schönheit und ihren guten Wuchs. Werden bei ihr die Zügel einmal lockergelassen, dann ist es aus mit ihr. Darum konnte ich mich nie dazu entschließen, den entscheidenden Schritt zu tun.«
Miriam rieb ihre Schultern. »Mich friert. Laß uns gehen.«
Harald erhob sich und war ihr behilflich. »Vergiß, was ich sagte. Das Leben geht oft die verrücktesten Wege. Im Glück von heute steckt vielleicht schon das Unglück von morgen. Und umgekehrt. Schau dir nur diesen Torpedo auf Rädern an«, sagte er, als ein Sportwagen in irrsinnigem Tempo an ihnen vorbeijagte.
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